Schönheit ist subjektiv.

Das ist ja nu nix Neues und auch völlig gut so. Wäre ja nu tatsächlich auch unsagbar langweilig, wenn alle gleich aussehen würden. Je nachdem, in welche Richtung man sich entwickelt, sind kleinere oder eben auch größere Diskussionen allerdings vorprogrammiert. Mit wem? Vor allem mit der Familie! Und dabei gehe ich jetzt von einem gesunden familiären Verhältnis aus, in dem sich Kinder für die Familie interessieren und die Familie für ihre Kinder. Traurig aber wahr, dass ich das Gefühl habe, das in unserer heutigen Zeit erwähnen zu müssen.

Na ja. Auf jeden Fall war der Schwenk in Richtung „Grufti-Dasein“ damals einer, der ECHTE Überzeugungskünste meinerseits in Richtung meiner Familie zur Folge hatte – ja, sogar zur Folge haben musste. Irgendwie kann man im Nachhinein ja verstehen, dass Eltern sowas erstmal nicht gerade prickelnd finden.

Wäre ich blond geblieben...

…und hätte, wie viele Leute auf meiner Schule, teure und chice und weiße und hellbraune und goldene Klamotten getragen (und ja, gegensätzlich zu der Meinung einiger Klassenkameraden damals, hätte auch ICH solche Dinge von meinen Eltern bekommen, weil man nämlich kein Arzt oder Anwalt sein muss, um seinem Kind Timberlands, oder wie auch immer diese in meiner Welt kackhässlichen aber sauteuren Schuhe hießen, ein Poloshirt, natürlich original mit Pferdchen, oder sonstwas dergleichen zu kaufen), dann wäre die Angst meiner Eltern bzgl. meines weiteren Werdegangs wohl auch deutlich geringer ausgefallen.
Aber nein. Ich entschied mich dazu, eine andere Entwicklung zu vollziehen, andere Kleidung und andere Musik zu mögen. Und das trotz gutem Elternhaus, einer gesunden Psyche und … ja … ich gehörte einfach nie zu den Leuten, bei denen man nach einem kurzen Gespräch sofort weiß, warum sie sich einer solchen Subkultur zuordnen. Hat sicherlich, wie bei allen anderen Menschen auf dieser Welt, auch bei mir irgendwelche Gründe, aber da müsste ich den Blogtext noch mal aufnehmen, wenn ich mal irgendwann mit jemandem gesprochen habe, der da Licht ins Dunkel (haha) bringen kann.

Aber weiter im Text: Da zieht man also mühevoll ein vernünftiges Kind groß, vermittelt Normen und Werte und ist auch eigentlich zufrieden mit dem Sprössling, der immer nett alle Nachbarn grüßt und auch ansonsten das nette Kind ist, welches man genau so erzogen hat und dann rennt es aber plötzlich in Ledermantel und mit den dicksten Kajal-Balken ever unter den Augen rum. Dann will es ein Piercing. Dann will es ein Zweites. Dann wächst es noch mehr in seine Rolle und möchte ein Drittes. Die Haare sind natürlich schon lange schwarz und die Springerstiefel (nicht verwechseln! Meine Schnürsenkel waren stets so schwarz, wie der Rest!) schön hoch geschnürt. Dann findet das Kind auch noch abrasierte Haare total toll und weil das alles noch nicht reicht, fängt es an, sich zu guter Letzt die Ohrlöcher zu dehnen. Das alles macht Eltern im Übrigen nicht nur Angst, weil sie zunächst denken, dass Satan nun der beste Freund des Kindes ist und es des Nachts auf dem Friedhof tanzt, sondern auch, weil besorgte Eltern Angst haben, dass Tochter oder Sohn in der Gesellschaft anecken könnte und im Leben wegen der Äußerlichkeiten nicht voran kommt, obwohl es, abgesehen von der körperlichen Hülle, jegliche Kompetenzen für ein Fortkommen mitbringt!

Ich möchte bei all dem aber übrigens immer noch behaupten, dass ich mich stets im Rahmen bewegte!! Wenn man anderes heutzutage sieht! 😀

Auf jeden Fall trotzdem eine Szene, mit der Eltern und vor allem auch Großeltern so ihre Probleme haben. Man kennt es nicht, man hört Dinge darüber und hat Angst um sein Kind. Jetzt völlig klar, damals hat es nur des Todes (haha) genervt.

Die Anfänge dieser ganzen Geschichte – nach einer Hip Hop und einer Punkphase in der Pubertät – sind jetzt fast 10 Jahre her. Dass auch diese ganze „Das Kind trägt am liebsten schwarz“-Sache nur eine Phase ist, von der Idee hatten sich, glaube ich, alle schon nach einigen Jahren verabschiedet.
Trotzdem bin ich heilfroh, dass ich in meinem Falle nicht nur in eine solche Sache rein, sondern auch ein Stück weit wieder raus gewachsen bin.

Besser ist aber, dass auch die Familie sich irgendwann damit abfindet, solange das Kind tatsächlich nur anders aussieht, als es der eigene Wunsch gewesen wäre. Denn auch weiterhin hat das Kind immer freundlich gegrüßt, Abitur gemacht, Jobs bekommen, studiert, das Studium abgeschlossen und kommt einfach klar. Solch ein positives Fortkommen ist es also, was wichtig ist und dann auch den unsichersten Eltern zeigen kann: Es kommt nicht immer nur auf die Optik an!!

Zwar sind die Haare nicht mehr schwarz, der Ledermantel wurde verbannt und auch sonst ist man natürlich älter geworden und hat sich etwas mehr selbst gefunden, trotzdem denkt sicherlich noch der Eine oder Andere auf der Straße, oder sonst wo: „Hm. Das ist nicht schön!“ oder „Ohje, wer kommt denn da und was möchte sie?“ Gott sei Dank habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass man die meisten Menschen, und zwar die 95-jährige Omi von nebenan wie auch den 5-jährigen Kevin in der Kinder-Spielgruppe, durch Freundlichkeit, Lächeln und Kompetenz vom Gegenteil überzeugen kann. Das ist schön!!!

Warum ich überhaupt darüber nachdenke?

Weil ich mich heute einfach zu sehr darüber gefreut habe, dass ich in dreckigen Chucks, einer Beatlejuice-Hose, einem ribcage-Shirt, einer Lederjacke… mit einer Tolle auf dem Kopf und Dehnungs-Schnecken im Ohr meine Großeltern besucht habe und meine Omi, als ich zur Tür reinkam, als erstes sagte: „Huiii was siehst Du chic aus heute!“

Da sind wir wohl alle ein ganzes Stück mehr angekommen! ♥ ♥ ♥