Bye bye, Handschrift.

Ganz ehrlich: Wie oft schreibt ihr noch etwas per Hand auf?

Kaum noch, oder?
Mir fällt spontan auch nur die Einkaufliste ein oder die Tatsache, dass ich beruflich ab und zu mal was hinkritzeln muss. Also wirklich… KRITZELN!!!
Kein Mensch – außer mir, wenn ich Glück habe – kann das lesen.
Es ist eine Uferlosität an… Gekritzel. 😀

Und wehe Du versuchst dann mal, etwas schön und leserlich aufzuschreiben.
Da tut Dir binnen kürzester Zeit aber ordentlich die Hand weh!

Eigentlich traurig, aber wir sind mittlerweile so sehr auf Computer und Smartphone gepolt, dass man echt befürchten muss auf Dauer die Kompetenz des handschriftlichen Schreibens zu verlieren.

Ich habe mir ein kleines Rezeptbüchlein angelegt.
Ich möchte kurze, schnelle und einfache Rezepte zusammentragen.
Und wenn man sich so etwas anlegt, dann soll es natürlich schön und fehlerfrei aussehen.
Ist vielleicht vor allem ein Anspruch den Frauen haben, deshalb malen wir in der Schule oder der Uni ja auch immer alles hübsch bunt an.

ABER:

Gar nicht so einfach, muss ich nun leider Gottes zugeben!

Ich hab sowieso schon immer das Problem gehabt, keine total einheitliche und schöne Mädchenschrift zu haben. Bei mir gab es keine bauchigen und total runden Buchstaben, Herzchen über dem „i“ oder eine Schrift, die auch auf einem weißen Blatt Papier aussieht, als läge ein unsichtbares Lineal darunter.
Ich habe mal Schreibschrift geschrieben, die – trotz Rechtshänderdasein – total nach links gekippt ist. Dann hab ich zugesehen dass sie nach rechts kippt, weil das (angeblich) normaler war. Irgendwann wurde daraus eher eine Art Blockbuchstabenschrift… und dann eine Schreibschrift, bei der „m“, „n“ und „u“ völlig identisch aussahen. Abgesehen davon, dass über dem „u“ ein Strich war.
Das hat manche wiederum so irritiert, dass ich es wieder abstellen wollte…

… und da bin ich bis heute hängen geblieben.
In einem Wust von Unsicherheit, was meine eigene Handschrift angeht.
Ich verkack sogar hier und da meine eigene Unterschrift. 😀

Wenn ich mich nicht hochgradig konzentriere ist meine Schrift ein heilloses Durcheinander.
Wahrscheinlich wäre jeder, der Handschriften analysiert und sich einbildet anhand dieser Analyse etwas über einen Menschen auszusagen zu können, vollkommen überfordert oder würde mindestens vier Personen hinter diesem ganzen Geschmiere vermuten.

Aber egal, warum ich diesen Text eigentlich schreibe:

Meine Oma und mein Opa sind ein… ich würde sagen… recht typisches Ehepaar.
Zumindest für ihre Generation.
Ihr wisst schon: Große Liebe von damals bis heute.
Das ist ja jetzt mittlerweile nicht mehr Gang und Gäbe, dass man sich in jüngsten Jahren kennenlernt und stets alles füreinander tut. Welche Ehe hält schon 60+ Jahre?
Die meiner Großeltern schon! (Ja, ich gebs zu. Ich bin stolz auf die Beiden).

Auf jeden Fall war Omi immer die Hausfrau, Opa war arbeiten. Prinzipiell haben die Frauen ja früher ganz besonders viel gewuppt. Da gabs ja zumeist auch noch ein paar Kinder mehr, als in heutigen Familien.
Ich weiß: Wir bilden uns immer erfolgreich ein, wie viel wir doch zu tun haben und wie heftig gestresst wir doch sind. Oft sind das, im Vergleich zu früher, aber echte Luxusprobleme.
Ist aber auch wurscht, denn jeder meckert auf dem Niveau, auf dem er sich eben befindet.
Ist ja auch völlig normal und in Ordnung.

Fakt ist: Meine Oma war immer diejenige, die so ziemlich alles in der Familie bewältigt hat.
Opas dreckige Bergmannshosen, das Sattkriegen der Kinder… meine freche Mutter. *krchrch*
Opa hat sich viel auf seine Frau verlassen. Wie viele Männer damals (und heute?!).
So auch bei wichtigen Dokumenten, Geburtstagskarten… bei allem, wo man eben etwas schreiben muss.

Nun sind sie an einem Punkt ihres Lebens angekommen, an dem Oma nicht mehr ganz so fit ist.
Kürzlich musste mein Opa etwas aufschreiben, weil Omi es einfach nicht mehr konnte.

Erst da ist mir übrigens wirklich bewusst geworden, dass tatsächlich alle Karten und Grüße und alles, was wir in unserem Leben jemals handschriftlich von den Beiden bekommen haben, irgendwie immer von Oma geschrieben war. 

Also nahm mein Opa den Stift in die Hand und sagte: „Ich kann das doch nicht, Mensch.“

Dann hat er aber mit etwas Hilfe ganz süß etwas niedergeschrieben… ♥

Klingt im ersten Moment komisch.
Klar kann er schreiben, dachte ich.
Aber nein: Es fiel ihm unheimlich schwer.
Warum?
Er hat es einfach seit zig Jahren nicht mehr gemacht.

Ist offenbar nicht, wie Fahrradfahren.

Diese Erfahrung habe ich dann erst mal wieder ad acta gelegt, weil sie so bedeutend ja nu auch nicht ist. War in dem Moment kurz komisch, dann aber auch einfach plausibel. Und auch nichts, worüber man sich Gedanken machen müsste. Im Alter sind viele Dinge anders und in Ordnung.

Dann fing ich mit besagtem Kochbüchlein an und dachte plötzlich: FUCK!!!
Wie beschissen schwierig ist es eigentlich mittlerweile handschriftlich zu schreiben??
Zwar habe ich noch keine Probleme mit den Wörtern an sich, wie mein Opi.
Aber ich hatte in der in der Tat schon Probleme damit, mehrere Zeilen in schön und ohne einen Krampf in der Hand zu bekommen zu schreiben.

Man fühlt sich, als hätte man einen kompletten Fremdkörper viel zu lange in der Hand!

Diesen Text hier zu tippen, das geht ratzfatz.
Müsste ich den handschriftlich schreiben, würde ich mittlerweile wahrscheinlich durchdrehen.
Und die Zeit in der ich viel schreiben musste ist jetzt auch noch nicht SO lange her.
Ich habe mein Studium 2013 beendet.

Zwei Jahre, in denen die Beziehung zwischen Hand und Kugelschreiber echt gelitten hat.
Wie soll das erst nach 20, 30 oder 40 Jahren aussehen?
Mea culpa, Opi. Dafür haste das echt gut gemacht!!

Zumal wir nicht in einer Zeit leben, die ein baldiges Entfernen von PC, Laptop und Smartphone prognostiziert.
Im Gegenteil: Die Kiddies kriegen die Dinger ja heutzutage schon im Kinderwagen sitzend in die Hand gedrückt.
Ganz zu schweigen von den neuesten Lernkonzepten in der Schule, bei denen ich mich manchmal frage: Muss das eigentlich sein? Ich meine… wir haben doch alle ganz wunderbar lesen und schreiben gelernt.
Warum muss man zwangsläufig immer alles verändern, was doch ganz offenbar herrlichst funktioniert?
Beziehungsweise: Warum muss man es schon in jüngsten Jahren tun??

Ich sach euch eins: Wir werden irgendwann alle nicht mehr schreiben können, weil die Technikwelt uns diesbezüglich komplett verhunzt hat! Das ist gruselig und schrecklich!!

Für mich ist diese Erkenntnis ein Riesendrama und ich werde mir noch viele Rezepte raussuchen, die ich versuchen werde wunderbar akkurat und korrekt aufzuschreiben.

Nehmt mal einen Stift zu Hand und schreibt ein paar Zeilen.
Würde mich interessieren!
+++
Ich gehe mir jetzt einen Brieffreund suchen!
In diesem Sinne: ♔ Einen guten Start in die Woche ♔

PS.: Das da oben ist das Rezept für einen „Porree-Nudeltopf nach Mamas Art“.
Bei Interesse gebe ich es natürlich gern preis. 😉